Plaudern zwischen Haparanda, Oslo und Rügen

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Tallin Marktplatz (Foto: H.Weiler)

Anspruchsvoll, aber gar nicht so schwer. – Mit der ARC Baltic nach St. Petersburg

Ostseesegeln ist anspruchsvoll. Das mussten die Teilnehmer der Baltic ARC auch auf dem Weg von Bornholm erleben: Zwei Meter Welle und Wind von vorne ließen es auf dem Weg nach Gotland krachen.

»Regen? Ja klar, auch noch…Wir kommen trotzdem recht durch gut und sind nach 202 Seemeilen und 31 Stunden am Ziel. Andere Boote erreichen teilweise erst bis zu 20  Stunden später das Ziel. Persönlich tragisch für mich ist, dass wir ca. 1 Stunde nach Abpfiff des WM Endspiels Visby erreichten. Ich habe aber entlang der Küste bereits von diversen Freunden per WhattsApp Nachrichten aufs Handy bekommen. Das war ein wenig so wie Live Radio und natürlich gab es nach der Ankunft erst einmal WM Party«, schrieb Arnd auf diesem Trip.

Durchwachsen: Wind und Regen gehören zum Ostseesegeln immer mal dazu (Foto: H.Weiler)

Durchwachsen: Wind, Flaute, Regen. Ostseesegeln ist Abwechslungsreich (Foto: H.Weiler)

Was dabei passiert, wenn man unter »falscher« Flagge reist, erlebte die englische Crew eines deutschen Charterschiffs: »Wir haben doch in der Flotte das Boot mit den Engländer auf der deutschen Charter Yacht. Am Morgen nach dem Spiel gratulieren alle Touristen, die so am Pier entlang gehen der Crew, die erst gar nicht weiß warum, dann aber immer sagt „Thank you“ und sich freut. Die hatten schließlich 1966 das letzte mal einen WM-Titel geholt. – Da waren die aber noch gar nicht geboren 😉«

Prost! Anstoßen auf den Weltmeistertitel (Foto: Arnd)

Prost! Anstoßen auf den Weltmeistertitel (Foto: Arnd)

Visby hat als alte Hansestadt sein Flair über die Zeit retten können. Zwei Tage hatte der Word Cruising Club eingeplant und neben einem historischen Stadtspaziergang finden sie die Crews immer wieder zum spontanen BBQ an der Pier ein bis Flotte zum ersten mal einen gemeinsamen Start hinlegen konnte: »Ein tolles Bild, wie alle dann auch noch kurz nach dem Hafen Gennaker, Spinnaker oder Parasailor auspackten und im Verband Richtung Norden an der Küste Gotlands gesegelt sind. Das Wetter spielte ausnahmeweise auch mal mit und ein gelungener Törn von 37 Stunden führte über 244 Seemeilen zur estnischen Hauptstadt Tallin.«

Die Hansesailor erreichte gemeinsam mit zwei anderen Booten als Erste die TOP Marina Pirata. Etwas außerhalb der Stadt ist die zwar ausreichend groß für die Flotte, aber in Sachen „Einrichtungen“ (Waschräume etc) für unseren Baltic ARC Spion eine derbe Enttäuschung: »Wohl auch einer der Nachteile eine Ralley. Mit so vielen Booten findet man in kleinen, gemütlichen Marinas kaum Platz.« Tatsächlich bleiben für die ARC Flotte oft nur die großen ungemütlichen oder sogar industriellen Häfen. Ein Beigeschmack, der angesichts Tallins schöner und interessanter Altstadt mit ihren wunderschön restaurierten Gebäuden, vielen kleinen Restaurants und Bars nicht lange vorhält.

Von der Geschichte Estlands und insbesondere der wechselhaften Vergangenheit Tallins erfahren die Teilnehmer der ARC bei dem organisierten Startrundgang. Das Crew Dinner am Abend vor der Abreise findet in einem Gewölbekeller statt und ist wieder von hoher Qualität, nicht nur, soweit es den Gaumen betrifft: »Mein erster Eindruck ist bestätigt. Die Ralley Leute sind gut drauf! Nach dem Essen, geht es gemeinsam mit anderen Teilnehmern noch in eine Bar zu Livemusik, Spät wirds… 🙂«

Mit dem Auslaufen aus Tallinn würde für viele der Crews der wohl spannendste Teil des Törns beginnen: Ein Segeltrip nach Russland. Die Wettervorhersage reist das Feld erneut auseinander, es geht gegen Ostwind oder flaute. Die Boote müssen aber auch einen gewissen Abstand einhalten, damit beim Einklarieren in Kronstadt nicht zu viele Boote auf einmal vor der Zollpier erscheinen. Das Limit, erfahren die Teilnehmer bei der letzten Skipperbesprechung sind sechs Boote pro Stunde. »Ab der russischen Staatsgrenze ist einer festgelegten Route zu folgen (natürlich ein Horror für uns Segler) und kreuzen ist nicht erlaubt.« Bei den vorhergesagten Wetterbedingungen bedeutet das für alle Schiffe eine lange Strecke unter Motor. Außerdem muss die russische Küstenwache per Funk über den Eintritt in ihre Hoheitsgewässer informiert werden.

Die langen Etappen der ARC Baltic bedeuten immer wieder mehrtägige Etappen (Foto: H.Weiler)

Die langen Etappen der ARC Baltic bedeuten immer wieder mehrtägige Etappen.  (Foto: H.Weiler)

Arnd: »Die Nacht ist interessant. Wir fahren in einer Gruppe mit 7 anderen Booten. Als wir die Grenze überqueren, haben bereits 5 der Boote Ihren Funkspruch abgegeben. Die Küstenwache erfragt Position, Kurs, Geschwindigkeit, Nationalität, Zielhafen, Anzahl der Personen an Bord. Als ich dann an der Reihe bin, hat der Beamte wohl schon zuviel. „Russian Cost Guard, this is Hanse Sailor – YES, Sir please your nationality flag and how many people on board“ – halt es mit deutlichem russichen Akzent durch den Äther. „Good Morning, our nationality is Australien and we are 5 people on board“ antworte ich in der Erwartung auf mehr….. aber dann kommt „Thank you. Good Luck.“ Naja, wir sind erst mal in russichen Gewässern und fahren unter Motor im Kanal Richtung Kronstadt.« Schon lange vor der Ankunft kann die Crew der Hansesailor per AIS am Einreisepier sechs Boote ausmachen.

Zollanleger für die Einreise nach Russland (Foto: Arnd)

Zollanleger für die Einreise nach Russland (Foto: Arnd)

Die Einreise ist unkomplizierter als erwartet: »Als die Beamten bei uns an Bord kommen, ist zunächst einmal eine Menge Papierkram zu erledigen. Schiffspapiere, Reisepässe, Visa, Crewliste usw. Eine Durchsuchung der Stauräume folgt anschließend. Schließlich dürfen wir nach knapp einer Stunde vom Einreisepier Richtung St. Petersburg River Yacht Club ablegen und machen insgesamt 198 Seemeilen und 29 Stunden seit Tallinn fest.«

Eine kurze Bilanz der ARC bisher:

Seit Kiel ist die Flotte 821 Seemeilen gereist: Kiel, Bornholm (Ronne), Gotland (Visby), Estland (Tallin) und nun Sankt Petersburg. In der Flotte gab es bisher eine Grundberührung und einen Motorschaden. Aber alle Schiffe haben St. Petersburg erreicht. Trotz vorwiegend Wind aus Osten mit 2-25 Knoten. Unterwegs gab es diverse Crewwechsel und so haben bis Russland rund 150 Leute an der Ralley teilgenommen.

Ein bunter Haufen Segler

Der World Cruising Club hat gerufen und die Fangemeinde der ARC-Segelevents hat sich auf den Weg gemacht. Aus Großbritannien kamen gleich ganze 13 Yachten und eine aus Frankreich. Die übrigen Teilnehmer verteilen sich dann aber doch auf die eher üblichen Verdächtigen der Region:  ein norwegisches Schiff, drei Boote unter deutscher Flagge (eins davon gechartert mit englischer Besatzung), zwei Niederländer, eines aus Jersey, zwei Dänen und drei Schweden. Exot ist die Hanse Sailor unter australischer Flagge. Allerdings kommt die frisch aus der Werft in Greifswald und beherbergt auch unseren »ARC Spion« Arnd Villwock, der in den kommenden Wochen hin und wieder vom Fortgang der Reise erzählen wird.

(Foto: Arnd Villwock)

(Foto: Arnd Villwock)

Insgesamt kommt die Flotte der ARC Baltic 2014 damit auf 27 Boote, genug um in einem durchschnittlichen Ostseehafen für Liegeplatzmangel zu sorgen. Ein genauer Törnplan und entsprechende Voranmeldungen dürften zu den größeren Herausforderungen für die Organisatoren gehört haben. Zumindest, wenn man einmal von der Einreise nach Russland mit so einer Gruppe absieht. Aber dafür ist der World Cruising Club bekannt: Gute Organisation, exzellente Vorbereitung und Events, bei dem das Segeln zwar Anlass, aber eben nicht alles ist. Ob Trans Atlantik, Classic Malt Cruise, World ARC oder eben Ostseetörn, es geht um Fahrtensegeln, um Spaß und neue Freunde finden. Erst dann um schnelles Segeln.

Für die Crews gab am ersten Tag einen Überblick über den Törn, die Veranstaltungen und Ausflüge zu den Sehenswürdigkeiten der Ziele. Die Skipper erhielten zusätzlich noch Informationen zu den Funkfrequenzen, den Häfen bis Tallinn und den navigatorischen Herausforderungen. In Estland wird es dann ein weiteres Skippermeeting geben, um vor allem die Einreise nach Russland noch einmal genau zu besprechen.

Interessante, sehr nette und aufgeschlossene Leute durfte ich an diesem Abend kennen lernen.

»Ich war mir nicht ganz sicher, wie diese „Ralley People“ so drauf sind und bin dabei sehr positiv überrascht worden. Interessante, sehr nette und aufgeschlossene Leute durfte ich an diesem Abend kennen lernen. Bei einem sehr guten Abendessen wurde natürlich auch viel über die Boote, die bereits besuchten Gebiete und auch über die aktuelle Wettersituation gesprochen. „When are you leaving port“ war dann auch eine der meistgestellten Fragen«, schreibt Arnd einige Tage nach dem Start. – Beim Wetter vorausplanen scheitert eben auch der WCC: Die Karten zeigen eine Kaltfront mit folgendem Starkwind aus Ost.

Die Anspannung wuchs nach dem Dessert spürbar. Die Auslaufparade für den kommenden Morgen wurde abgesagt, der Zielhafen auf das für die Windrichtung bessere Rønne verlegt und den Booten ein Frühstart freigestellt. Nach und nach verließen die Crews das Abendessen und die Boote ihre Liegeplätze. Auch die Hanse Sailor löste um 22.21 Uhr die Leinen und startete ins Abenteuer der ARC Baltic:

»Auf dem Weg sind viele der Boote per AIS immer sichtbar und für uns ist es interessant, die anderen zu verfolgen. Über einen VHF Channel kommuniziert die Ralley Control mit den Booten. Täglich gibt es zwei Funkrunden für alle Boote in Reichweite des Leadbootes „Working on a dream“. Es wird von Hans Hansell, einem erfahrenen schwedischen Segler geführt, der mit ihm auch schon an der World ARC teilgenommen hat. Mit ihm an Bord sind zwei Mitarbeiter des World Cruising Club.

Sonnenaufgang auf dem Weg nach Osten (Foto: Arnd Villwock)

Sonnenaufgang auf dem Weg nach Osten (Foto: Arnd Villwock)

Der Wind bläst anfangs aus Nord Ost und so entscheiden sich die meisten Boote unter Motor bis Fehmarn zu laufen. Wir nehmen unter Segel eine nördliche Route Richtung Dänemark. Zwei der anderen Boote folgen uns. Die Nacht läuft gut, mit klasse Wind kommen wir gut voran. Gegen 10.00 Uhr morgens passieren wir die Fährverbindung Gedser-Rostock und setzen unsere Fahrt am riesigen Windpark vorbei Richtung Bornholm fort. Der Wetterbericht stimmt und der Wind dreht Richtung NW und dann SW, fast perfekt für den Gennaker. Auf der Route holen wir auch mächtig auf die Boote auf, die unter Motor den kürzeren Weg nach Fehmarn gewählt haben. Die Hanse 505 ist unter Gennaker trotz Ihres enormen Gewichts von gut 15 Tonnen ein richtig schnelles Fahrtenboot. Wir sind bei ca. 15 Knoten Wind mit 8 Knoten über Grund mehr als zufrieden.

Ca. 25 Seemeilen, also knapp 3 Stunden vor Bornholm, bekommen wir zu spüren, was hier heranzieht. Um uns herum wird es tiefschwarz und schon bald sind Donner und Blitze am Horizont zu sehen, die schnell aus Osten näher kommen.

Ein bunter Haufen  Segler erreicht Bornholm

Ein bunter Haufen Segler erreicht Bornholm (Foto: Arnd Villwock)

Wir erreichen gegen 01:00 Uhr den Hafen von Rønne und machen im Südhafen fest. Alles in allem mit 27,5 Stunden und 175 zurückgelegten Seemeilen ein guter Törn. Das Wetter hat dankt der frühen Abfahrt auch gepasst.«

Nach und nach erreichten alle 27 Boote der Flotte sicher den Hafen auf Bornholm. Segeln ging zu Ende, die ARC wurde wieder Party: Mit Barbecue am Pier, bevor Deutschland die Brasilianer bei der Weltmeisterschaft vom Platz stellte.

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